Intoleranzen gegen Nahrungsbestandteile sind heute keine Seltenheit mehr. Bereits im Jahr 2014 beklagten laut spiegel.de ca. 23% der Deutschen entsprechende Intoleranzen gegen Laktose, Histamin, Fruktose, Gluten oder Erdnüsse. Doch was steckt eigentlich dahinter und wie können Betroffene damit umgehen? In unserem Interview haben wir den Ernährungswissenschaftler Frank Kaiser dazu befragt.
Redaktion: Guten Tag Herr Kaiser, schön dass Sie uns heute einige Fragen beantworten. Möchten Sie sich kurz vorstellen?
Frank Kaiser: Guten Tag, ich freue mich, heute ein Interview geben zu dürfen. Mein Name ist Frank Kaiser, ich bin Ernährungswissenschaftler und habe kürzlich das Portal vitalinstitut.net ins Leben gerufen, um Verbrauchern wissenschaftlich fundierte Informationen liefern zu können.
Redaktion: Prima. Steigen wir gleich in die Materie ein. Wie kommt es, dass es heute so viele Nahrungsmittelintoleranzen gibt?
Frank Kaiser: Hierbei muss klar zwischen Intoleranzen und Allergien unterschieden werden. Während Allergien tatsächlich zugenommen haben, ist das Bild bei den Nahrungsmittelintoleranzen verzerrt. Zum einen wurden solche Probleme in der Vergangenheit oft nicht einmal als Krankheit wahrgenommen und zum anderen gehen heute viel mehr Menschen davon aus, eine entsprechende Intoleranz zu haben, ohne wirklich darunter zu leiden.
Redaktion: Aber was führt zu diesem verzerrten Bild?
Frank Kaiser: Dies hat verschiedene Gründe. Menschen reagieren heute viel sensibler auf Veränderungen an ihrem Körper. Wer ein- oder zweimal Bauchschmerzen nach dem Essen verspürte und dabei Milchprodukte verzehrte, geht von einer Laktoseintoleranz aus. Zusätzlich wird das Ganze durch das Marketing der Lebensmittelindustrie ein wenig gehypt.
Redaktion: Was macht die Lebensmittelindustrie denn?
Redaktion: Aber ist die verbesserte Wahrnehmung unseres Körpers nicht ein gutes Zeichen in punkto Gesundheit?
Frank Kaiser: Bis zu einem gewissen Maße sicherlich. Es ist positiv, dass wir uns heute um unseren Körper mehr sorgen und auch die Ernährung kritisch hinterfragen. Doch jede Medaille hat zwei Seiten. Wenn das Maß an Vorsicht dazu führt, dass wir das Essen grundsätzlich für alle schlechten gesundheitlichen Entwicklungen verantwortlich machen, kann dies ernsthafte Folgen haben. Wer beispielsweise aus Vorsicht vor Allergien oder anderen schädlichen Wirkungen plötzlich ganze Nahrungsmittelgruppen meidet, riskiert mitunter Mangelerscheinungen.
Redaktion: Gibt es ihrer Ansicht nach noch andere mögliche Gründe für die übertriebene Vorsicht?
Frank Kaiser: Die vielen Lebensmittelskandale der letzten 20 Jahre haben sicherlich dazu beigetragen, dass wir Nahrungsmittel heute grundsätzlich anders betrachten. Es herrscht eine deutlichere Unsicherheit, was man noch essen darf und was uns eventuell krankmachen könnte.
Redaktion: Das ist für wirklich von Intoleranzen betroffene Personen sicherlich noch schwieriger, oder?
Frank Kaiser: Sicherlich. Aber diese haben es heute aufgrund spezieller Lebensmittel und auch der Hinweise natürlich einfacher. Wobei ich hier auch sagen möchte, dass die Intoleranzen nicht gleich stark wirken. Eine Laktoseintoleranz führt bei Nichtbeachtung zu vorübergehenden Magenproblemen, während eine echte Zöliakie bei Nichtbeachtung dauerhafte und irreversible Schäden mit sich bringen kann.
Redaktion: Was sollten Menschen bei Verdacht auf eine Nahrungsmittelintoleranz oder Allergie tun?
Frank Kaiser: In solchen Fällen ist tatsächlich nur anzuraten, das Ganze von einem Arzt abklären zu lassen. Es gibt entsprechende Tests, die zweifelsfrei ergeben können, ob eine entsprechende Intoleranz oder Allergie vorliegt. Wer bereits im Vorfeld einen Verdacht checken möchte, kann zunächst ein Ernährungstagebuch führen und versuchen, die Symptome so mit gewissen Lebensmitteln in Verbindung zu bringen. Sicher ist dieses Vorgehen allerdings nicht.
Redaktion: Herr Kaiser, wir danken Ihnen für das Gespräch!
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