Einen Bandscheibenvorfall konservativ behandeln und heilen? Ja, das ist möglich! Denn man weiß, dass sich die Bandscheiben so anpassen, wie sie benutzt werden.
Mit unserem Experten für Physiotherapie, Jens Weber, möchten wir auf dieser Erkenntnis aufsetzen und berichten, dass und wie ein Bandscheibenvorfall konservativ behandelt und vollständig geheilt werden kann.
Sie finden hier den zweiten Teil zu unserem Thema. Hier finden Sie den ersten Teil zum Thema Bandscheibenvorfall konservativ behandeln mit den Inhalten Situation, Ursprung und Ausgangslage.
Bandscheibenvorfall: Was ist in der Nacht passiert?
Wenn man über seine persönliche Belastungsgrenze hinausgeht, tritt der Schmerz nicht unmittelbar auf. Meist ist man sich bewusst, dass man seine Belastungsgrenze überschritten hat, horcht in sich hinein und stellt erleichtert fest: „Ist ja noch einmal gut gegangen“ Doch am nächsten Morgen wird man unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, weil man vor Schmerzen kaum aufstehen kann. Es dauert Minuten, ehe man aus der Rückenlage, über die Seitenlage und über den Sitz in den Stand kommt und stellt fest, dass neben dem Muskelkater noch ein anderer Schmerz hinzugekommen ist, der die Beweglichkeit massiv einschränkt: „Jetzt hab ich Rücken!“
Nun haben wir ein chemisches Problem. Der Körper hat seine Selbstheilungskräfte aktiviert und baut eine Entzündung auf um zu analysieren, was geschädigt wurde. Dieser Selbstheilungsprozess ist wichtig und sollte zugelassen werden. Die Entzündungszeichen sind:
1. Überwärmung
2. Schwellung
3. Bewegungseinschränkung
4. Schmerz
Wie solch eine Entzündung heilt, kann man bei einem Hautdefekt beobachten: Nach 10 Tagen fällt die Kruste ab, die Haut hat sich erneuert und meist bleibt nicht einmal eine Narbe zurück. Genauso verläuft dieser Prozess, für uns aber unsichtbar im Inneren.
Bandscheibenvorfall konservativ behandeln: Bewegung statt Schmerzmittel
Unterstützen wir unseren Körper bei der Selbstheilung durch geeignete Übungen, verschwindet der Schmerz nach 6 Tagen von selbst. Unterbrechen wir den Aufbau einer Entzündung durch Schmerzmittel, kann der Körper sich nicht selbst heilen und überbrückt den Schaden durch Narbengewebe. Narbengewebe ist nicht durchblutet und hat eine sehr geringe Stabilität. Die Belastungsgrenze sinkt noch weiter, so dass jede unachtsame Bewegung eine erneute Schmerzproblematik auslösen kann, die meist wieder mit Schmerzmitteln behandelt wird: ein Teufelskreis beginnt, der mit chronischen Rückenpatienten endet.
Diesen Teufelskreis durchbricht gezielte Bewegung.
Bandscheibenvorfall konservativ behandeln: die Tage 1 bis 6
Wird der akute Bandscheibenvorfall konservativ behandelt, stellt sich die konservative Akutbehandlung eines Bandscheibenvorfalls wie folgt dar:
- Tag 1 und 2: Der Patient wechselt selbstständig zwischen Bewegung und Ruhe.
Er kann nicht lange in einer Position verweilen. Wird der Schmerz im Liegen größer, benötigt der Körper Bewegung. Wird der Schmerz dadurch erträglicher, aber nach kurzer Zeit wieder größer, dann ist die Belastungsintensität ausreichend und Erholung im Sitzen oder Liegen ist dann wieder angesagt.
- Ab dem 3.Tag wird der Körper belastbarer und wird zunehmend Bewegung fordern.
Um einer Schonhaltung vorzubeugen, muss die intramuskuläre Koordination, also das Zusammenspiel der einzelnen Muskeln, über den Einbeinstand trainiert werden.
- Ab dem 5. Tag kann die Belastung weiter erhöht werden.
Bewegung mit Belastung, beispielsweise Treppensteigen, ist hier das Therapiemittel erster Wahl. Wie oft und wie lange entscheidet der Körper. Wiederholen, solange es der Körper toleriert.
- 6 Tage braucht unser Körper für die Analyse.
Bandscheibenvorfall konservativ behandeln: Tage 7 bis 28
Die aktive Therapie zur Stabilisierung des Bandscheibengewebes und zur Wiedererlangung der Ausdauer beginnt ab dem 7. Tag.
- Ab dem 7. Tag beginnt die Stabilisierung des Bandscheibengewebes.
Um eine dauerhafte Stärkung des Bandscheibengewebes zu erzielen, bieten sich Übungen an, die qualitativ hochwertig sind und einen Transfer in Alltagsbewegungen ermöglichen.
Die Vorspannung der Muskulatur muss gewährleistet sein, damit bei einer Übung so viel Muskulatur wie möglich trainiert wird. Die Ausgangsstellung für alle Übungen ist der Stand, denn durch sitzen oder liegen wird die Spannung im Muskel reduziert und es werden nur einzelne Muskelgruppen isoliert trainiert. Die Gefahr einer muskulären Dysbalance steigt.
Kniebeugen, Ausfallschritte und Kastensteigen mit Kurz- oder Langhanteln haben den besten Effekt auf die Muskulatur und das neu zu formende Gewebe. Diese Übungen erfüllen die Voraussetzungen der intramuskulären Koordination und haben alle einen Transfer ins tägliche Leben.
Wichtig: es soll nicht nur die Kraft, sondern auch die Kraftausdauer geschult werden. Das heißt: nicht ein Gewicht für 8 bis 12 Wiederholungen pro Satz wählen, sondern erst ein niedrigeres Gewicht wählen, mit dem 30-35 Wiederholungen pro Satz möglich sind. Dann in Schritt 2 erst das Gewicht um ca. 30 % steigern, was normalerweise zu einer Rückkehr zu 8-12 Wiederholungen führt. Mit diesem Gewicht dann wieder weitertrainieren, bis Wiederholungen von 30-35 möglich sind. Dann erst wieder das Gewicht steigern … und so weiter.
- Ab dem 14. Tag wird die aerobe Ausdauer über schnelles Gehen geschult.
Meine Erfahrung ist, dass das Gehen in den ersten 5 Minuten noch nicht „flüssig“ ist, aber stetig geschmeidiger wird. Wird die Bewegung nach ca. 20 bis 25 Minuten wieder schlechter, sollte man das Training beenden.
- Ab dem 21. Tag kann auf gleiche Weise mit Joggen begonnen werden.
- Ab dem 28.Tag ist die akute Phase überwunden.
Unser Körper ist wieder eingeschränkt belastbar. Die volle Stabilität ist dann nach 300 bis 500 Tagen erreicht.
Eigentlich sehr einfach: einem Bandscheibenvorfall vorbeugen
Durch unseren Trainingszustand entscheiden wir, wie belastbar wir sind und schützen uns aktiv gegen Rückenproblematiken. Bewegung, Treppensteigen, Einbeinstand, Kniebeugen und Ausfallschritte sind nicht nur die beste Therapie von Rückenproblematiken, sondern auch die optimale Vorbeugung. Durch unsere Aktivität verliert Rückenschmerz seinen Schrecken.
Unser Experte zum Thema Physiotherapie: Jens Weber
Jens Weber, Jahrgang 1959, ist Leiter und Kopf der Praxis für Physiotherapie GmbH im Therapiehaus am Bunten Garten in Mönchengladbach. Sein Werdegang führte ihn von der Ausbildung in der Universitätsklinik Düsseldorf über die Physiotherapie in einer orthopädischen Fachpraxis und die therapeutische Leitung eines ambulanten Rehazentrums bis zur eigenen Praxis für Physiotherapie im Jahr 2003.
Neben sportphysiotherapeutischen Betreuungen in der Handballbundesliga, der Deutschen Eishockeyliga und der Volleyballbundesliga sind vor allem folgende Fortbildungen hervorzuheben: Sportphysiotherapie des VPT und DosB, nichtoperative Orthopädie der Extremitäten und der Wirbelsäule, MLD, PNF, CMD, Medizinische Trainingstherapie, Rückenschullehrer, Osteoporose Trainer, Gangschule nach Rencho los Amigos (LA), Sport Physical Therapist (IAS Unsiversity, LA), Bobat Konzept, Akupunktur TCM DIU, Tuina TCM DIU.
Kontakt: www.prinzen-weber.de
Weitere Ratgeber von unserem Physiotherapie-Experten Jens Weber bei apotheken-wissen.de:
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- Über die Reizstromtherapie und ihre sinnvollen Einsatzgebiete
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