Seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, wonach verschreibungspflichtige Medikamente durch ausländische Versandapotheken rabattiert verkauft werden dürfen, fürchten viele stationäre Apotheken in Deutschland um ihre Existenz. Die Lockerung der Preisbindung zugunsten der Versender aus dem EU-Ausland durch das Rx-Boni-Urteil im Oktober 2016 sorgt unter Inhabergeführten Apotheken für Unmut. Der massive Preiskampf könnte das Arzneimittelversorgungsnetz empfindlich schmälern. Während Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) einen Gesetzentwurf vorlegte, um dem entgegenzuwirken, wollen deutsche Apotheker mit zukunftsweisenden Maßnahmen ihre Existenz aus eigener Kraft retten.
Die Digitalisierung in Apotheken
Dass die Digitalisierung auch in Apotheken angekommen ist, dürfte inzwischen klar sein. Spätestens, wenn der digitale Medikationsplan durch das Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendung im Gesundheitswesen (E-Health-Gesetz) 2018 bundesweit etabliert ist, dürften die massiven Vorteile der Digitalisierung jedem klar sein. Die Arzneimittelinitiative (ARMIN) gilt als Vorreiter und macht eine sektorübergreifende Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apotheker möglich. Mit dem elektronischen Erstellen und Pflegen der Medikationspläne von Patienten durch beide Parteien wird die Arzneimitteltherapiesicherheit auf ein neues Niveau angehoben und der Patient bei der Einnahme und Anwendung von Arzneimitteln besser unterstützt. „Die steigende Zahl von eingeschriebenen Patienten in ARMIN, die unsere Medikationsanalyse und das Medikationsmanagement zusammen mit unseren ärztlichen Partnern erfahren, sind glaubwürdige Zeugen dieser längst überfälligen Verbesserung einer umfassenden Arzneimitteltherapie“, erklärt Stefan Fink, Vorsitzender im Thüringer Apothekerverband gegenüber der PZ online im Jahresausblick 2017 der Apotheker und Vertreter der Pharmabranche. Im PDF zum Magazin des Ärzteblatts Thüringen wurden die wichtigsten Fakten zum Gemeinschaftsprojekt ARMIN zusammengefasst.
Mit dem 2013 gegründeten Apotheken-Fachkreis, einer Initiative von ALIUD PHARMA wurde gemeinsam mit Apothekern zum aktiven Austausch eine Plattform erarbeitet, um die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern und die stationären Apotheken zu stärken. Künftig soll die Plattform für den erfolgsorientierten Erfahrungsaustausch optimiert werden und es ermöglichen gemeinsam digitale Angebote zu entwickeln.
Strategieberater und Spiegel Online-Kolumnist Sascha Lobo nimmt im Video Stellung zur digitalen Zukunft des Apothekenmarktes:
Kooperation und Ausbildung
Mit der engeren Zusammenarbeit zur Arzneimitteltherapiesicherheit zwischen Apotheken und Ärzten durch ARMIN ist es nicht getan. Stattdessen müssen Apotheker auch mit anderen Berufen aus dem Gesundheitswesen vermehrt kooperieren, um das Medikationsmanagement und die gesamte Patientenbetreuung zu verbessern. Zudem blickt die Branche gespannt auf die Entwicklungen in Leipzig.
Dank des Modellstudiengangs Pharmazie in der Medizinischen Fakultät sollen Studenten die Kooperation zwischen Ärzten und Apothekern bereits während ihrer Ausbildung erfahren und erleben, wie diese Zusammenarbeit das Management von Arzneimitteltherapien optimiert. „Ein frühes Kennenlernen der Fähigkeiten, Kenntnisse und Perspektiven der jeweils anderen Profession während des Studiums in gemeinsamen Lehrveranstaltungen begünstigt die spätere Zusammenarbeit und soll im Modellstudiengang gezielt gefördert werden“, erklärt die Universität Leipzig in einer Pressemitteilung. Die engere Verknüpfung der Teildisziplinen innerhalb des Berufsbildes könnten gleichermaßen ein Schlüssel zur Zukunftssicherung sein. Fest steht, dass sich der Beruf Apotheker derzeit im spürbaren Wandel befindet und deutlich an Abwechslung gewinnt.
Erweiterung des individuellen Leistungsspektrums
Eine Apotheke wird in Zukunft mehr sein müssen, als eine alleinige Quelle für Medikamente. Der Beratungssektor rückt zunehmend in den Fokus. Ein gutes Beispiel liefert in diesem Zusammenhang die Zusatzqualifikation Ernährungsberater, welche Apotheker bei den Apothekerkammern absolvieren können. Nach Bestehen der Prüfung sind sie in der Lage ernährungsmedizinisch zu beraten. Neben der Durchführung von Analysen von diversen Werten wie beispielsweise dem Cholesterinspiegel, beschäftigen sich Ernährungsberater vorwiegend mit der Informationsvermittlung. Sie können sowohl Senioren und Schwangere als auch Sportler oder chronisch Kranke bedarfsorientiert über empfehlenswerte Ernährungsweisen aufklären und umfassend zu den persönlichen Nährstoffansprüchen beraten. Derartige Beratungskompetenzen werden immer wichtiger, um den Kundenansprüchen gerecht zu werden.
Vorteile stationärer Apotheken
Trotz des EuGH-Urteils zu Rx-Boni besteht für Apotheken kein Grund ihre Existenz aufzugeben. Im Gegenteil: Derartige Krisen können sogar besondere Chancen hervorbringen. Inhabergeführte Apotheken, denen es gelingt ihre Vorteile gegenüber Versandapotheken klar herauszuarbeiten, bleiben unverzichtbar für Verbraucher und Gesundheitswesen. Die Stärken liegen bei Beratung, Wohnortnähe, dem direkten Kundenkontakt und der schnellen Verfügbarkeit von Medikamenten innerhalb von Stunden. Um die positiven Aspekte auszuweiten, müssen Apotheken das Leistungsspektrum zielgruppenorientiert ausbauen und aktiv Kundenbindung betreiben.
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Vielen Dank für den Beitrag zur Apotheke von morgen. Meine Oma nutzt den Lieferservice ihrer Apotheke, die Medikamente kann sie dabei ganz einfach mit dem Smartphone bestellen. Gut zu wissen, dass immer mehr Apotheken einen digitalen Medikationsplan anbieten und somit einen großen Beitrag zur Arzneimittelsicherheit beitragen.
Interessant zu lesen, wie sich Apotheken in Deutschland für die Zukunft rüsten. Meine Schwester ist Apothekerin und ich sollte diesen Artikel mit ihr teilen. Gut zu wissen, dass Apotheken ihr individuelles Leistungsspektrum ausbauen und man bald eine Ernährungsberatung in der Apotheke erhalten könnte.
Ich wusste gar nicht, dass klassische Apotheken durch Versandapotheken so unter Druck stehen. Ich gehe lieber direkt in die Apotheke und lasse mich dort beraten, als online zu bestellen. Auch finde ich die Möglichkeit, dass man in der Apotheke auch ein Medikament, das aktuell nicht vorrätig ist, meist schon nachmittags abholen kann. Gut zu wissen, dass es bei Versandapotheken aus dem Ausland hingegen meist 48 Stunden dauert, bis solch ein Medikament verfügbar ist und ich somit weiterhin auf den stationären Handel setzen werde.
Ich weiß nicht, wie es bei meiner Apotheke ist. Aber an mir scheinen die ganz gut zu verdienen. Schließlich kaufe ich dort immer wirklich viele Medikamente ein. Schlussendlich glaube ich nicht, dass Apotheken nichts an verschreibungspflichtigen Medikamenten verdienen.