Die Krankschreibungen von Arbeitnehmern sind im Jahr 2012 mit 3,8% im Vergleich zum Jahr 2011 leicht rückläufig. Weiterhin aber sehr auffällig und damit auch wieder ein Schwerpunktthema: aufgrund psychischer Leiden erreichten 2012 einen neuen Höhepunkt. apotheken-wissen berichtete bereits über das Avis für 2012 in Sachen Krankmeldungen durch Burnout, Depressionen und Co. Ebenso über die Analyse der Entwicklungen der Krankschreibungen 2011.
Im Jahr 2012 sank der allgemeine Krankenstand leicht um 0,1 Prozentpunkte und lag bei 3,8 Prozent. Dies bedeutet, dass von 1.000 Erwerbstätigen an jedem Tag des Jahres im Schnitt 38 krankgeschrieben waren. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten legten 2012 ihrer Firma keine Krankmeldung vor.
Blick auf die Krankmeldungen 2012 nach Diagnosen
Die DAK-Gesundheit stellt in ihrem neuen Gesundheitsreport 2013 massive Verschiebungen bei den Krankmeldungen fest. 1997 meldete sich nur jeder 50. Arbeitnehmer wegen psychischer Krankheiten arbeitsunfähig. Im Jahr 2012 war es bereis jeder 22. Beschäftigte.
Für den Gesundheitsreport hat die DAK-Gesundheit die Krankschreibungen von 2,7 Millionen erwerbstätigen Versicherten mit Hilfe des IGES Instituts aus Berlin ausgewertet: An der Spitze der Krankheitsarten lagen die Muskel-Skelett-Erkrankungen mit fast einem Viertel der Krankmeldungen, im Jahr 2012 aber erstmals gefolgt von den Psychischen Erkrankungen, die sich mit 14,5% den Platz 2 mit den Atemwegserkrankungen teilen. Soll heißen: Auf 100 Versicherte entfielen durchschnittlich 326 Fehltage durch Muskel-Skelett-Erkrankungen, es folgen die psychischen Erkrankungen mit 204 Tagen und die Atemwegsleiden mit 203 Tagen.
Woran liegt das? Sind wir heute anders krank als früher? Leiden heute mehr Menschen unter psychischen Krankheiten als vor 20 Jahren? Der Gesundheitsreport 2013 gibt darauf detailliert Antworten. Er untersucht, wie weit Burnout wirklich verbreitet ist.
Weiterhin Sonderthema: Krankmeldungen durch Burnout, Depressionen und Co.
Die Krankschreibungen von Arbeitnehmern aufgrund psychischer Leiden erreichten 2012 einen neuen Höhepunkt. Laut aktuellem DAK-Gesundheitsreport haben sich zwischen 1997 und 2012 die Fehltage durch Depressionen und andere psychische Krankheiten mehr als verdoppelt (plus 165 Prozent). Dieser Trend bei den Krankschreibungen lässt auf den ersten Blick vermuten, die Deutschen würden sich zu einem Volk von psychisch Kranken entwickeln. Epidemiologische Studien belegen jedoch: Psychische Störungen sind seit Jahrzehnten in der Bevölkerung nahezu gleich verbreitet. „Das Bewusstsein und die Sensibilität von Ärzten und Patienten diesen Krankheiten gegenüber haben sich deutlich verändert“, betont Herbert Rebscher, Chef der DAK-Gesundheit.
Die DAK-Gesundheit stellt fest, dass sich die Fehltage in den Betrieben deutlich verschieben: Während sich 1997 nur jeder 50. Erwerbstätige wegen eines psychischen Leidens krankmeldete, war es bereits jeder 22. im Jahr 2012. Frauen waren dabei fast doppelt so häufig betroffen wie Männer. Viele Arbeitnehmer werden heute mit einem psychischen Leiden krankgeschrieben, während sie früher mit Diagnosen wie chronische Rückenschmerzen oder Magenbeschwerden arbeitsunfähig gewesen wären. „Wir brauchen eine ehrliche und sachliche Debatte, um diese Entwicklung in der Arbeitswelt richtig bewerten zu können“, erklärt Rebscher. „Denn die Arbeitsausfälle sind für Betriebe schwerwiegend. Psychische Erkrankungen dauern meist lange“. Der DAK-Gesundheitsreport 2013 rollt die Diskussion anhand der eigenen Krankenstandsanalyse sowie Befragungen von über 3.000 Arbeitnehmern und Ärzten neu auf.
Psychische Erkrankungen: eine gesellschaftliche oder eine statistische Entwicklung?
Arbeitsunfähigkeitsdaten geben zuverlässig Auskunft über das Ausmaß psychischer Diagnosen bei Krankschreibungen. Sie spiegeln allerdings nicht zwangsläufig die tatsächliche Verbreitung psychischer Erkrankungen wider.
Frank Jacobi, Professor an der Psychologischen Hochschule Berlin, erläutert: „Es gibt keine Hinweise darauf, dass heute mehr Menschen psychische Störungen haben als vor 20 Jahren“. Im DAK-Gesundheitsreport 2013 werden deshalb folgende Fragen näher untersucht: Sind wir anders krank als früher? Gibt es neue, bisher in der Öffentlichkeit zu wenig diskutierte Gründe für den Anstieg seelischer Erkrankungen bei Arbeitsunfähigkeit? Seit einigen Jahren läuft eine breite öffentliche Debatte über das Burnout-Syndrom. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, die psychischen Erkrankungen stärker in den Fokus zu rücken. Der DAK-Gesundheitsreport 2013 hinterfragt, ob das Thema Burnout bei den psychischen Krankheiten wirklich die Bedeutung hat, wie es in der öffentlichen Debatte häufig scheint.
Krankmeldungen: Unterschiede zwischen Burnout und Depressionen
Im vergangenen Jahr hatten die Ärzte nur bei jedem 500. Mann und jeder 330. Frau ein Burnout auf der Krankschreibung vermerkt. „Es gibt offensichtlich kein Massenphänomen Burnout“, betont Rebscher. „Burnout ist eine Art Risikozustand und keine Krankheit“. Der Begriff sei auch durch die breite Berichterstattung in den Medien positiver besetzt und sozial akzeptierter als eine Depression. Burnout-Betroffene hätten in der öffentlichen Wahrnehmung meist sehr engagiert gearbeitet und seien dadurch „ausgebrannt“. Insofern hat die öffentliche Debatte dazu beigetragen, dass Arbeitnehmer beim Arzt leichter über psychische Beschwerden sprechen.
In der Öffentlichkeit wird das Thema Burnout häufig wie eine eigenständige psychische Krankheit behandelt. In der Praxis vermerken die Ärzte diese Zusatzdiagnose auf der Krankmeldung meist ergänzend bei Depressionen und Anpassungsstörungen. Burnout kann unter einer Zusatzcodierung (Z 73) auf der Krankmeldung begleitend vermerkt werden. Unter dieser Zusatzcodierung werden „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ erfasst.
Vor einigen Jahren spielte das Burnout kaum eine Rolle. Die Zusatzcodierung wurde noch im Jahr 2004 so gut wie gar nicht auf der Krankmeldung vermerkt. Bis 2012 lässt sich ‑ auch bedingt durch das geringe Anfangsniveau ‑ ein steiler Anstieg verzeichnen.
Insgesamt werden durch die Zusatzcodierung Krankschreibungen mit einem Volumen von etwa zehn Ausfalltagen pro 100 Erwerbstätige begründet. Zum Vergleich: Die Depression verursacht mit 85 Fehltagen pro 100 Arbeitnehmer mehr als acht Mal so viele Ausfalltage.
Gründe und Ursachen für den Anstieg psychischer Erkrankungen
Die in die aktuelle Studie einbezogenen Ärzte sehen in Arbeitsverdichtung, Konkurrenzdruck und langen Arbeitszeiten eine Ursache für mehr Krankschreibungen mit psychischen Diagnosen. Aus Sicht der Mediziner gibt es für nicht so leistungsfähige Mitarbeiter immer weniger Platz in der Arbeitswelt. Prekäre und kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse verschärfen psychische Belastungen. Depressionen und andere seelische Erkrankungen werden nach Erfahrungen der Ärzte vom Patienten immer mehr als Grund für eine Krankschreibung akzeptiert. Ferner führt fehlender sozialer Rückhalt außerhalb der Arbeitswelt zu mangelnder Widerstandsfähigkeit gegenüber psychischen Beschwerden.
Literatur zum Thema Burnout
* Bild- und Textquelle: DAK-Gesundheit