Der Zahn der Zeit: Wie alt wir geworden sind, sehen wir an den älter werdenden Gesichtern unserer Lieben. Und jeder von uns wird ab einem bestimmten Alter zugeben müssen, dass das Alter seinen Tribut zollt: Konzentrationsprobleme, Ohrensausen, Schmerzen an vielen Stellen und Schwindel sind nur ein Teil der Beschwerden, die zwangsläufig auf jeden Menschen zukommen. Besonders einschneidend für die Psyche eines alternden Menschen ist die Erfahrung, von jetzt auf nachher vom sozialen Umfeld vollständig abhängig zu werden – war doch ein gewisses Maß an Eigenständigkeit jahrzehntelang der Garant für ein „gutes Leben“.
Doch der Schein trügt: Menschen waren, sind und werden immer voneinander abhängig sein, denn sie sind evolutionsbedingt stets auf eine Kooperation untereinander angewiesen, um zu überleben. Wichtig ist jedoch, dass aus einer gesunden Abhängigkeit keine kranke wird. Hierbei spielen die pflegenden Personen eine bedeutsame Rolle.
Conditio humana
Jeder Mensch hat Grundbedürfnisse, die – sobald eine eigene Selbstsorge nicht mehr oder nur eingeschränkt zu gewährleisten ist – von einer Pflegekraft wahrgenommen und bei Bedarf erfüllt werden sollten. Professionelle Pflegekräfte sollten ihr Handeln dabei stets am Individuum orientieren. Zielsetzung einer jeden Pflege sollte sein, dem Pflegebedürftigen wieder zur Unabhängigkeit zu verhelfen. In diesem Zusammenhang schließt sich das Ziel an, dass die Pflegekraft dem Patienten dabei behilflich ist, Lebensbedingungen zu schaffen, die sowohl der Gesundheitserhaltung als auch Gesundheitsförderung desselbigen zuträglich sind. Dazu zählt sowohl das Abwenden bzw. der Beistand bei der Erfahrung von Krankheit und Leid als auch das Ausstatten des zu Pflegenden mit dem richtigen Alltagsinventar. So kann beispielsweise der Schlafkomfort des Patienten durch ein passendes Kranken-, Pflege- oder Seniorenbett essenziell verbessert werden. Menschen mit eingeschränkter Mobilität erhalten auf diese Weise ein Stück Eigenständigkeit in ihrem Alltag zurück.
Die „Rules of the Game“
Die ehemalige US-amerikanische Krankenschwester Virginia Henderson differenziert in ihren Pflegetheorien insgesamt 14 Grundbedürfnisse, die jeden Menschen betreffen. Diese Bedürfnisse wurden unter anderem durch Erkenntnisse von Abraham Maslow, Carl Rogers, Erik Erikson und Sigmund Freud gespeist. Sind die wichtigsten Bedürfnisse erst einmal erfüllt, gewinnen laut Theorie die rangnächsten an Bedeutung:
- Eine normale Atmung besitzen
- Eine angemessene Aufnahme von Flüssigkeit und Nahrung
- Die Möglichkeit der Ausscheidung mittels aller Ausscheidungsorgane
- Bewegung und Beibehaltung der gewünschten Position
- Ruhe und Schlaf nach Notwendigkeit nachgehen können
- Passende Kleidung auswählen sowie diese an- und ausziehen können
- Die Aufrechterhaltung einer normalen Körpertemperatur
- Das Gefühl von Sauberkeit, die Möglichkeit der Reinigung und des Schutzes des Körpers
- Die Vermeidung von Gefahren in seiner Umgebung und einer Gefährdung Anderer
- Die Möglichkeit, Emotionen und Empfindungen sozial kommunizieren zu können
- Die Möglichkeit besitzen, seinem Gott entsprechend der Glaubensrichtung zu dienen
- Eine sinnstiftende Beschäftigung ausüben können
- An verschiedenen Unterhaltungsformen teilnehmen können
- Dem Lernen dem Befriedigen von Wissbegier nachgehen können
Homo socialis
Die französische Schriftstellerin Françoise Sagan sagte einst: „Es gibt ein Alter, in dem eine Frau schön sein muss, um geliebt zu werden. Und dann kommt ein Alter, in dem sie geliebt werden muss, um schön zu sein“. Diese überspitzte Aussage soll auf einen Sachverhalt hinweisen: Ohne Liebe und Zuwendung – am besten von nahestehenden Personen – gelingt eine Pflege nicht.
Die hohe Anforderung an die Pflege
Bei dem Pflegebedürftigen sollte stets eine sinnhafte Bejahung des Alltags begünstigt werden. Daher kommt die Pflegekraft nicht umhin, von ihrer eigenen Persönlichkeit Gebrauch zu machen. Das heißt: Eigene Auffassungen von Leben, Leiden und Tod müssen reflektiert und kommuniziert werden können. Ferner müssen Intellekt und Urteilsfähigkeit mit positiven Emotionen vereint werden, sodass dem Gesprächspartner auch bei ernsten Themen ein wohliges Gefühl suggeriert wird.
Arbeitsbedingungen im Pflegeberuf
Die Realität der Pflegepraxis wartet leider mit einem ganz anderen Bild auf: „Zu wenig Zeit für Patienten, keine Wertschätzung der Arbeit“, so lauten oft die Schlagzeilen der Medien. Und die Zahlen der Zukunft sind erschreckend: Nach Hochrechnungen des Statistischen Bundesamtes im Jahre 2011 werden im Jahr 2025 voraussichtlich etwa 112.000 Pflegerinnen und Pfleger in Vollzeit-Anstellung fehlen, um den Bedarf an professioneller Alten- und Krankenpflege in Deutschland begleichen zu können. Das liegt daran, dass einerseits die Kosten für die Personalgewinnung steigen und andererseits personelle Engpässe die Unzufriedenheit beim verbliebenen Pflegepersonal erhöhen, da diese oftmals über einen langen Zeitraum die personelle Unterbesetzung kompensieren müssen. Es verwundert daher kaum, dass auf diese Weise aufseiten der Pflegekräfte die Bereitschaft wächst, den Arbeitsplatz zu wechseln. Fakt ist: Mehr als 50 Prozent der befragten Pflegekräfte geben an, sich von der Arbeit im Krankenhaus häufig psychisch sowie physisch stark belastet bzw. erschöpft zu fühlen. Mehr als zwei Drittel der Befragten beanstandeten zudem, dass sie zur Erledigung der täglichen Aufgaben und für die Zuwendung zum Patienten nicht ausreichend Zeit hätten und generell das anfallende Arbeitspensum in der dafür vorgesehenen Zeit kaum zu schaffen sei.
Die Macht des Lobes
Zweifelsohne sollte einiges im Zusammenhang mit dem Pflegeberuf verbessert werden. An prominentester Stelle steht dabei die Wertschätzung der Arbeit der Pfleger im Allgemeinen und jeweils regelmäßig im Arbeitsalltag. Schließlich lässt sich dieser besser durchstehen, wenn er mit einem bestimmten Ansporn verbunden ist. Das sind beispielsweise Belobigungen im Alltag, Boni bzw. Gratifikationen und regelmäßige Feedback- und Mitarbeitergespräche. Das liegt daran, dass auf diese Weise die intrinsische Motivation – das heißt das innere „Brennen“ für die Arbeit – der Pflegerinnen und Pfleger gestärkt wird. Durch ein derartig positives Resonanzverhältnis zur eigenen Arbeit werden Flow-Zustände – ein Zustand, in dem der Mensch in seiner Tätigkeit vollständig aufgeht – begünstigst, Motivationserosionen verhindert und die Qualität der Arbeit nachhaltig verbessert.
Fazit
Wir werden alle älter. Richtig angewandte Pflege lässt uns das Altern jedoch vergessen und beweist dadurch folgendes: Das Alter schützt vor der Liebe nicht, aber die Liebe vor dem Altern. Daher: Schützen Sie auch die Pflegenden!
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