Frau mit Angst oder Depression
Was kann bei Angst oder Depression helfen? *

Wirkstoffvorstellung, Wirkweise, Anwendung und besondere Hinweise zum Wirkstoff Opipramol: Opipramol ist ein trizyklisches Antidepressivum, das sich von anderen Stoffen dieser Gruppe im Effekt deutlich unterscheidet. In Europa wird es v.a. unter dem Handelsnamen Insidon vertrieben, während es in den USA nicht erhältlich ist. Die 1952 entdeckte Substanz wurde 1961 von Schindler und Blattner patentiert und wird seitdem als Medikament zur Behandlung v.a. von Angststörungen und angstdominierten Depressionen genutzt. Wie andere Psychopharmaka unterliegt es der Verschreibungspflicht und sollte nur unter ärztlicher Kontrolle eingenommen werden.

Wirkungsweise und Anwendungsgebiete von Opipramol

Wie wirkt Opipramol?

Strukturell gesehen handelt es sich um ein trizyklisches Antidepressivum aus der Klasse der Dibenzazepine. Zur pharmakologischen Anwendung kommt dabei das besser lösliche Hydrochlorid der Substanz. Obwohl der Name es suggeriert, handelt es sich bei Opipramol nicht um ein Opioid.

Die Wirkung des Stoffs beruht hauptsächlich auf Aktivierung des Sigma1-Rezeptors (und in geringerem Maße des Sigma2-Rezeptors). Diese Proteine hielt man früher für Opiodrezeptoren, doch stellte sich heraus, dass sie auf eine ganzen Reihe anderer Substanzen stärker reagieren. Die exakte Funktion ist bisher wenig verstanden, auch weil diese Rezeptoren in vielen Arten von Geweben vorkommen. Sie sind am endoplasmatischen Retikulum lokalisiert und können vielfältige Wirkungen im menschlichen Körper vermitteln, darunter Steigerung des Blutdrucks, Pulsbeschleunigung, Beschleunigung der Atmung oder Mydriasis (Weitung der Pupillen). Man geht davon aus, dass sie eine Rolle bei einer ganzen Reihe von neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen (z.B. Alzheimer-Demenz, Psychosen, Depressionen) spielen können.

In geringem Maße blockiert Opipramol auch die Aktivität des Serotonin-Rezeptors 5-HT2A, welcher eine Rolle bei Angst, Unruhe, depressiven Symptomen und Zwangsverhalten spielt. Ebenso blockiert wird der Dopamin D2-Rezeptor, welcher eigentlich als Angriffspunkt für Neuroleptika und deren antipsychotische Eigenschaften gilt. Die Aktivität der Substanz an Histaminrezeptoren schließlich sorgt für eine leicht sedierende und angstlösende Wirkweise.
Da der exakte Mechanismus des Medikamentes noch nicht vollständig aufgeklärt ist, kann schwer vorhergesagt werden, wann es hilft und wann nicht.

Angststörungen: Was bewirkt Opipramol?

Am häufigsten wird Opipramol bei Angststörungen oder akuten Angstzuständen eingesetzt. Dazu zählen neben der generalisierten Angststörungen auch Erkrankungen, in deren Verlauf es zu Panikattacken und ähnlichen drastischen Angstsymptomen kommen kann. Gegen Panikattacken im akuten Verlauf sind jedoch andere Medikamente mit stärker sedierenden Wirkung angezeigt.

Vorgeschriebene Indikation ist dabei die generalisierte Angststörung und somatoforme Störungen, während andere Erkrankungen nur im Off-Label-use behandelt werden können (d.h. verschreibenden Ärzte haften selbst für schädliche Effekte, unter Umständen übernehmen Kassen keine Behandlungskosten).

Dabei wird eine generell beruhigende Wirkung, angstlösende Effekte sowie eine milde antidepressive Verbesserung erzielt. Ebenso verbessert sich oftmals die Schlafqualität von Patienten mit angstbedingten Schlafstörungen. Bei Beginn der Behandlung überwiegt für etwa zwei Wochen die leicht sedierende und entspannende Wirkung, während stimmungsverbessernde Phänomene verzögert einsetzen. Dennoch ist Opipramol keine ursächliche Therapie und muss in der Regel in Kombination mit Psychotherapie verwendet werden, um langfristige Behandlungserfolge zu erzielen.

Depressionen

Im Vergleich zu anderen Antidepressiva (insbesondere Trizyklika) ist die Wirkung gegen Depressionen eher mäßig. Daher wird Opipramol dann eingesetzt, wenn neben der antidepressiven Wirkung vor allem die sedierenden und anxiolytischen Effekte erwünscht sind. Bei depressiven Episoden, die sich eher in Antriebslosigkeit äußern, ist es nicht das Mittel der Wahl.

Anwendung und Wirkdauer

Präparate und Dosierung

Opipramol ist als Generikum von zahlreichen Herstellern verfügbar. Handelsnamen sind unter anderem Depreniln, Dinsidonn, Ensidon, Insidon, Insomin, Inzeton, Nisidana, Opipram, Opramol, Oprimol, Pramolan und Sympramol. Es werden sowohl Filmtabletten als auch Dragees in Dosierungen zu 50 mg oder 100 mg genutzt. Opipramol-Generika enthalten denselben Wirkstoff, werden aber nicht unter einem Markennamen, sondern nur nach Substanz vertrieben, z.B. Opipramol 50 von Hexal oder Neuraxpharm.

Empfohlen wird die Einnahme von 50 mg, je dreimal täglich, zu oder nach den Mahlzeiten. Dies kann jedoch bei unzufriedenstellender Wirksamkeit bis auf 3 mal 100 mg gesteigert werden. Wenn unterschiedliche Dosierungen kombiniert werden (zum Beispiel 2 x 50 mg und 1 x 100 mg), wird empfohlen, die höher dosierte Tablette abends einzunehmen, damit die sedierende Wirkung schlaffördernd genutzt wird. Wenn das Medikament angesetzt wird, ist eine Zeit von zwei bis drei Wochen erforderlich, damit sich ein Effekt einstellt. Wenn die Therapie mit Opipramol beendet wird, soll der Patient die Dosis über längere Zeit ausschleichen, um Erscheinungen wie Unruhe, Übelkeit oder Schlafstörungen, die bei zu raschem Absetzen auftreten, zu vermeiden.

Wie schnell wirkt Opipramol? Wie lange bleibt es im Körper?

Die Substanz wird nach Einnahme im Darm rasch und nahezu vollständig resorbiert. Die maximale Plasmakonzentration wird nach etwa 3 Stunden erreicht, die Halbwertszeit liegt bei 6 bis 11 Stunden. Eliminiert wird Opipramol und seine in der Leber erzeugten Metaboliten (teilweiser Abbau durch Cytochrom CYP2D6 zu Deshydroxyethylopipramol) hauptsächlich über die Niere.

Die meisten Antidepressiva benötigen eine gewisse Zeit, bis sie im Körper die komplizierte Transmitterchemie beeinflussen und diese wiederum in der psychischen Wahrnehmung spürbare Veränderungen bewirkt haben. Dämpfende Auswirkungen sind deutlich schneller erfahrbar, da hierbei die Aktivität des Zentralnervensystems insgesamt gesenkt wird und kein so komplexes System wie die Stimmung bzw. emotionale Befindlichkeit reguliert werden muss. Man kann auch sagen, dass das Gehirn dazu neigt, ausgetretene Pfade zu bevorzugen und eine Phase der Neuanpassung benötigt, wenn sich Dinge im Umfeld oder der Neurochemie verändern, ehe es bereit ist, neue Denkmuster zu erlernen.

Man geht bei Opipramol davon aus, dass es etwa 2 bis 3 Wochen dauert, bis sich Angst- und Depressionssymptome spürbar bessern.

Verträglichkeit und Probleme bei Kombination mit anderen Medikamenten

Medikamente können im Zusammenspiel komplizierte Wechselwirkungen eingehen, die mitunter ungünstige Effekte auf die Verträglichkeit, die Häufigkeit von unerwünschten Wirkungen o.ä. haben. Folgendes sollte beachtet werden:

  • Der gleichzeitige Einsatz von dämpfenden Medikamenten wie Neuroleptika, Hypnotika, Tranquilizer und Anästhetika kann die sedierende Wirkung von Opipramol verstärken
  • Opipramol kann die Wirkung einiger Anticholinergika wie Parkinsonmedikamente und Phenothiazine verstärken
  • Einnahme von Betablockern, IC-Antiarrhythmika und trizyklischen Antidepressiva beeinflusst den Abbau der betreffenden Medikamente in der Leber und bedarf einer Dosisanpassung
  • Cimetidin, ein Mittel gegen Sodbrennen, erhöht die Plasmakonzentration von Opipramol, sodass eine Anpassung der Dosis notwendig ist
  • schwarzer Tee kann bis zu 30 % des Wirkstoffs binden und dadurch die Plasmakonzentration verringern
  • Alkohol hat eine stark verstärkende Wirkung auf den Effekt von Opipramol, die Folgen schon geringer Mengen sind Benommenheit und Bewusstseinstrübung; für die Anwendungsdauer sollte daher auf den Konsum verzichtet werden

Kontraindikationen

Es gibt eine Reihe medizinischer Zustände, die die Anwendung von Opipramol unzulässig machen. Dazu gehören: Patientenalter unter 18 Jahren, Schwangerschaft und Stillzeit (Ausnahmen nur in Extremfällen), Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff, akute Delirien, akuter Harnverhalt, vergrößerte Prostata, Darmverschluss infolge der Lähmung der Darmmuskulatur, bestimmte Herzerkrankungen, Leber- und Nierenerkrankungen, erhöhte Krampfbereitschaft, zerebrovaskuläre Insuffizienz, zu niedriger Kaliumspiegel im Blut.

Nebenwirkungen

Allgemein

Besonders anfällig für das Auftreten von Nebenwirkungen sind Patienten nach Erfahrungsberichten in der ersten Zeit nach dem Ansetzen des Medikamentes. Die Verträglichkeit erhöht sich mit der Dauer der Behandlung, sodass zumindest leichte negative Beeinflussungen zu Beginn der Therapie toleriert werden sollten, um zu erfahren, ob sich die Störungen später bessern.

Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen gehören Müdigkeit, Schwindel und Benommenheit. Diese Effekte verstärken sich in Kombination mit Alkohol deutlich, sodass auf den Konsum für die Dauer der Einnahme verzichtet werden sollte. Anders als bei vielen anderen Antidepressiva derselben Wirkstoffklasse kommt es bei Opipramol nicht zur Gewichtszunahme.

Liste nach Häufigkeit:

  • häufig: Tagesmüdigkeit, trockener Mund, trockene Nasenschleimhäute
  • gelegentlich: Zunahme des Gewichts, Schwindel, Benommenheit, Muskelzittern, Beeinträchtigung der Sehkraft, Herzrasen, Herzklopfen, Verstopfung, Hautausschläge, Störungen beim Wasserlassen, Ejakulationsstörungen, erektile Dysfunktion
  • selten: Veränderungen im Blutbild (Leukopenie), Unruhe, Verwirrung, verstärktes Schwitzen, verringerte Schlafqualität, Kopfschmerzen, Parästhesien, verändertes Geschmacksempfinden, Überleitungsstörung am Herzen, Kollaps, Magenschmerzen, paralytischer Ileus, Brechreiz, Ödeme, Harnverhalt
  • sehr selten: Agranulozytosen, Verstärkung von Angstsymptomen, Krampfanfälle, Störungen der Motorik, Anfälle des grünen Stars, schwere Leberfunktionsstörungen (auch chronisch), Haarausfall

Suizidalität

Viele antidepressiv wirkende Medikamente können die Neigung zur Selbstmordgedanken und deren tatsächlicher Ausführung erhöhen. Auch für Opipramol liegen einige entsprechende Berichte vor. Aufgrund der zentral dämpfenden Wirkungen in höheren Dosen kann auch die Substanz selbst in selbstschädigender Absicht eingesetzt werden. Gerade zu Beginn der Therapie sollten Patienten daher engmaschiger überwacht werden. Ein Missbrauch des Medikamentes ist unwahrscheinlich, da die dämpfende Wirkung bei Angstzuständen zwar als angenehm empfunden wird, aber kein “High” oder euphorisierende Veränderungen erreicht werden.

Überdosis

Vergiftungsfälle mit Opipramol können aufgrund eines fehlenden Gegenmittels nur symptomatisch behandelt werden. Wenn die Überdosierung rechtzeitig auffällt, kann forciertes Erbrechen oder Auspumpen des Magens eingesetzt werden. Zu den Symptomen gehören Benommenheit, Stupor bis hin zum Koma, aber paradox wirkend auch Unruhe, Schlaflosigkeit und erhöhte Ängstlichkeit. Es kann zu Krampfanfällen kommen. Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System reichen von Herzrasen über Arrhythmien bis hin zum Herzstillstand. Weiterhin existieren auch Berichte über Atemdepression und Atemstillstand.

Wichtige Hinweise

Die genauen Bedingungen der Einnahme und Erfahrungsberichte zu unerwünschten Wirkungen entnehmen sie dem Beipackzettel. Bitte folgen sie den Anweisungen von Arzt oder Apotheker und verzichten sie während der Therapie mit Opipramol auf den Konsum von Alkohol. Bei Leber- und Nierenerkrankungen, Vergrößerung der Prostata oder Herzrhythmusstörungen darf der Wirkstoff nicht verwendet werden. Darüber hinaus kann Opipramol besonders zu Beginn der Therapie die Verkehrstüchtigkeit beeinflussen.

Quellen:
– https://www.angst-verstehen.de/lexikon/opipramol/
– TP Su, TC Su, Y Nakamura: The Sigma-1 Receptor as a Pluripotent Modulator in Living Systems. In: Trends in Pharmacological Sciences. 37, Nr. 4, Apr 2016, S. 262–278
– Schwasinger-Schmidt, TE; Macaluso, M (8 September 2018). “Other Antidepressants”. Handbook of Experimental Pharmacology
– https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Opipramol_22004
– https://en.wikipedia.org/wiki/Opipramol#cite_note-pmid14270525-7
– Möller HJ, Volz HP, Reimann IW, Stoll KD (February 2001). “Opipramol for the treatment of generalized anxiety disorder: a placebo-controlled trial including an alprazolam-treated group”. Journal of Clinical Psychopharmacology. 21 (1): 59–65
– Müller WE, Siebert B, Holoubek G, Gentsch C (November 2004). “Neuropharmacology of the anxiolytic drug opipramol, a sigma site ligand”. Pharmacopsychiatry. 37 (Suppl 3): S189–197 Wirkstoffbeschreibung Opipramol

* Bildquelle: Fotorech / pixabay.com

Von Team apotheken-wissen.de

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Ein Gedanke zu „Opipramol – Ein atypisches Trizyklikum“
  1. Interessant, dass es sich bei Opipramol strukturell gesehen um ein trizyklisches Antidepressivum aus der Klasse der Dibenzazepine handelt. Mir wurde dieses Mittel mal bei einer Facharztpraxis für Psychiatrie verschrieben. Allerdings zeigte es bei mir nicht die gewünschte Wirkung.

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