Eine große westdeutsche Tageszeitung berichtete kürzlich auf ihrer Gesundheitsseite über die Ergebnisse einer Studie zum Thema Tennisarm, auch Epicondylitis humeri lateralis genannt. Diese Studie stellt den Erfolg von physiotherapeutischen Maßnahmen im Vergleich zu Kortisoninjektionen dar. Physiotherapie bei Tennisarm statt Spritzen?
Der Physiotherapie-Experte Jens Weber informiert hier aus seiner Sicht über die Ergebnisse der Physiotherapie bei einem Tennisarm.
Vorweg: Begriffsklärung, Ursachen des Tennisarms, Symptome des Tennisarms
Der Tennisarm ist ein chronische Sehnenentzündung im Ellenbogen. Dabei meldet der Körper eine Überlastung der Muskulator der Unterarme und äußert diese als schmerzhaftes Zeichen in Form dieser Entzündung. Genauer gesagt sind es dabei die Ansätze der Sehnen der Unterarm-Muskeln.
Es gibt mehrere Bezeichungen für dieses Symptom: Tennisarm oder Tennisellenbogen (medizinisch Epicondylitis humeri lateralis) und Golferarm oder Golferellenbogen (medizinisch Epicondylitis ulnaris humeri). Tennisarm und Golferarm unterscheiden sich darin, welcher Muskel betroffen ist: beim Tennisarm ist es der äußere Bereich am Ellenbogen, also der Streckmuskel für Hand und Finger, beim Golferarm ist es der innere Bereich des Ellenbogens, also der Beugemuskel für Hand und Finger.
Frage: Physiotherapie bei Tennisarm?
Hat die jüngste australische Studie Recht mit ihrem Ergebnisvergleich bei der Behandlung eines Tennisarms / Golferarms durch Physiotherapie oder durch Kortisonspritzen? Jens Weber, langjährig erfahrener Physiotherapeut und Experte für Physiotherapie bei apotheken-wissen.de sagt: Ja. Denn: Die Physiotherapie zeigt nach einem Jahr ein besseres Ergebnis als Injektionen mit Kortison.
Zu tendenziell ähnlichen Ergebnissen kam Dos Winkel bereits 1985 (!) in seinen Studien an der Freien Universität Amsterdam. Doch Jens Weber kennt auch die argumentativen Hürden mit Blick auf die Physiotherapie bei einer Epicondylitis: „Als Physiotherapeut müsste ich laut jubeln, weil ich seit mehr als 25 Jahren nicht nur wissenschaftlich fundiert, sondern auch erfolgreich praktiziere. Doch wie mache ich dem Patienten klar, dass der Erfolg meiner Therapie erst langfristig messbar und vor allem nachhaltig zu spüren ist, die Wirkung einer Kortisoninjektion aber schon nach 48 Stunden?“
Bewertung und Antwort zur Physiotherapie bei Tennisarm
Jens Weber führt weiter aus: „Für den Patienten ist doch klar, dass nach 2 Tagen das Thema Tennisarm erledigt ist, er braucht nur eine Spritze und kann seine gewohnten Rituale und Tätigkeiten fortsetzen. Der Physiotherapeut hingegen will ihn ein Jahr lang mit dem Problem beschäftigen. Die Geschichte wäre hier beendet, stünde nur der Schmerz im Fokus. Aber da es sich beim Tennisarm um einen entzündlichen Prozess handelt, ist Schmerzlinderung nur ein Aspekt des Problems – Heilung erfolgt dadurch nämlich nicht, die Entzündung bleibt bestehen und nach etwa 6 Wochen kommt der Schmerz zurück. Wenn weitere Kortisongaben erfolgen, wird ein chronischer Prozess eingeleitet – zu den Entzündungszeichen kommt es im weiteren Verlauf zu Funktionsverlust und die Belastbarkeitsgrenze des Muskel- und Gelenkapparates sinkt. Die Injektion mit Schmerzmitteln ist also nur eine kurzfristige Lösung.
Der Unterschied zwischen Physiotherapie und Injektionen mit Schmerzmitteln ist grundsätzlicher Natur. Physiotherapie regt den Heilungsprozess an und bezieht den Patienten mit ein.
Um dies zu verdeutlichen sei der Vergleich unseres Körpers mit einem Auto gestattet. Wir fahren mit Tempo 130 über die Autobahn und ein rotes Lämpchen blinkt am Armaturenbrett auf. Sie halten an und benachrichtigen die Helfer eines Automobilclubs. Dieser stellt fest: „Das ist die Ölkontrollleuchte.“ Lösungsorientiertes Handeln wäre jetzt das Kabel des Lämpchens zu durchtrennen, nichts blinkt mehr, also freie Weiterfahrt. Prozessorientiert müsste Öl nachgefüllt werden. Welches Handeln hat langfristig die bessere Prognose?“
Wie geht die Physiotherapie bei einem Tennisarm vor?
Über das physiotherapeutische Vorgehen und seine Maßnahmen berichtet Physiotherapeut Jens Weber: „Die Behandlung des Tennisarms mittels Physiotherapie beginnt zunächst in der genauen Lokalisation des Problems. Je nach dem, welche muskuläre Struktur von der Entzündung betroffen ist, gibt es auch unterschiedliche Therapieverläufe. Ist der Muskel nahe am Sehnenansatz betroffen, dauert die Therapie mindestens 3-4 Wochen mit drei Therapieeinheiten wöchentlich. 6-8 Wochen benötigt man, wenn der Sehnenansatz am Knochen betroffen ist. Im ungünstigsten Fall benötigt der Therapeut ca. 300 Tage mit 2 Einheiten pro Woche, wenn statt der Sehnenansätze die ganze Sehne betroffen ist – rein statistisch kommt dies aber nur bei 2 Prozent aller Fälle vor.
Neben der eigentlichen physiotherapeutischen Behandlung ist die Aufklärung des Betroffenen immens wichtig. Der Patient muss einerseits den Arm schonen und unphysiologische Bewegungen meiden, andererseits im schmerzfreien Bereich belasten und die betroffene Struktur dehnen. Der Erfolg der Behandlung hängt stark von der Motivation des Patienten, dem Wissen des Physiotherapeuten und dem gelungenen Zusammenwirken ab.“
Als kleines, generelles Fazit und dabei nicht nur mit Blick auf die Frage, ob Physiotherapie bei Tennisarm die richtige(re) Wahl der Mittel ist, kommt Jens Weber zu diesem Schluss: „Ob ein Therapieansatz lösungsorientiert oder prozessorientiert erfolgt, liegt in der Natur der Störung. Beispielsweise muss eine bakterielle Infektion lösungsorientiert mit einem Antibiotikum behandelt werden, hingegen Muskel- und Gelenkerkrankungen prozessorientiert mit Physiotherapie.“
Online-Kaufempfehlungen zum Thema Tennisarm / Golferarm
* Bildquelle: © saap585 – Fotolia.com
Gut zu wissen, dass man eine chronische Sehnenentzündung im Ellenbogen auch als Tennisarm bezeichnet. Ich wusste nicht, dass es außerdem noch die Bezeichnung Golferarm oder Golferellenbogen gibt, wenn der innere Bereich des Ellenbogens betroffen ist. Als ich eine Sehnenscheidenentzündung hatte, wurden mir in der Physiopraxis einige Übungen zur Entlastung gezeigt.
dankeschön, für den Artikel
Vielen Dank für den interessanten Artikel über Physiotherapie. Ich finde das Thema sehr spannend!
Hallo zusammen,
also ich kann nur sagen: ich habe berufsbedingt lange mit einem Tennisarm zu tun gehabt. Die akute Behandlung mit schmerzstillenden Spritzen wirkt fast sofort – und ich bei entsprechend starken Beschwerden aus meiner Sicht auch weiterhin zu empfehlen. Herr Weber hat aber Recht bzw. ich kann bestätigen: Da der Tennisarm regelmäßig wiederkehrte und die Schmerzbehandlung sich dementsprechend wiederholte, habe ich eine Tennisarm-Physiotherapie ausprobiert. Das Ergebnis war ein bisschen Wohl und Wehe: Wehe = viel Zeitaufwand über mehrere Monate, Wohl = er kam nach bisher 10 Monaten nach Behandlungsabschluss (toi, toi, toi) nicht wieder! Von daher mein Rat: Schmerzstillung ja und dennoch den Zeitaufwand für eine Tennisarm-Physiotherapie investieren!
Gruß,
Christof